[[[[ Zu oft thematisiert, zu undifferenziert diskutiert, zu oft unfundiert erklärt und überhaupt: die menschlichen Aufmerksamkeit ist trotzdem (oder grade deshalb?) mein Steckenpferd. Nicht nur weil sie eine der knappsten Ressourcen und begehrtesten Einkommen unserer postmodernen Welt darstellt, sondern auch weil sie zu erringen, zu halten und zu nutzen DIE Kernkompetenz des guten Marketers sein sollte. Mit dieser Serie will ich den Gesprächen über Aufmerksamkeit etwas mehr Seriosität zurück geben…]]]]

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Die Realität der Informationsgesellschaft und neuere neurologische Erkenntnisse (Roth, Singer, Fischer) zeigen allerdings, dass behaviouristisch geprägte, lineare, statische, eindimensionale kognitivistische Partialmodelle der Informationsaufnahme und -verarbeitung ihrer tatsächlichen Organisation in komplexen Ketten singulärer Verhaltensentscheidungen im Rahmen zahlreicher hoch distributiv und parallel organisierter kompetitiver Bewertungsprozesse, die in immer komplexer werdende reale (und – wie zu zeigen sein wird – virtuelle) Erlebniswelten des menschlichen Gehirns eingebettet sind, nur marginal gerecht werden. Wenn auch nur beschränkt für automatisierte, implizite Prozesse, so gilt doch für kontrollierte explizite Prozesse…

• … dass pro Zeiteinheit durch verschiedene Sinnessysteme selektiert aufgenommene externe (und interne) Reize nicht isoliert von gleichzeitig auftretenden (u.U. auch zeitlich vor- und/oder nachgelagerten) Signalen und ihren Rezeptionen bewertet und ausgewählt, sondern immer im Rahmen eines dynamischen, interdependenten kompetitiven Auswahlverfahrens gefiltert werden. Dabei wirkende psychische und physische Muster beziehen sich somit selten alleine auf isoliert wahrgenommene singuläre Reize, sondern situativ auch auf vergangene, aktuelle (und (wie unten gezeigt) erwartete) Reizfolgen und -konstellationen.

• … dass in den Kurzzeitspeicher gelangte Reize nicht automatisch zu Objekten isoliert ablau-fender interner Verarbeitungsprozesse werden, sondern eingehen in selbstorganisierte Interpretations- und Bewertungsprozesse (Kompetition unterschiedlich wahrscheinlicher Gruppie-rungsanordnungen zur Erreichung kohärenter Systemzustände) der aktuellen Konstellationen der Vielzahl (un-) willkürlich bewusstwerdender, potentiell wichtiger und/oder neuer Reize im Kurzzeitspeicher des Gehirns.

• … dass menschliches Verhalten weder mit rein behaviouristisch noch kognitivistisch geprägten Ansätzen fassbar ist, da sie die Tatsache außer acht lassen, dass das menschliche Gehirn Areale enthält, die ihre Informationen hauptsächlich (und in manchen Fällen sogar ausschließlich) von bereits existierenden Hirnrindenarealen erhalten. Und weil es dadurch möglich wird, abstrakte Repräsentationen von Beziehungen zu bilden und diese wiederum zueinander in Beziehung zu setzen und dafür wiederum abstrakte Repräsentationen niederzulegen, können in der Realität (auch ohne auslösende Außenreize) prädikative Modelle für die Umwelt, über den Organismus selbst und über die dynamische Interaktionen des Organismus mit der Umwelt gebildet werden.

• … dass das Gehirn im Gegensatz zur impliziten Annahme kognitivistischer Modelle nie ruhig ist, sondern ständig hochkomplexe Erregungsmuster generiert, auch wenn Außenreize fehlen. Wahrnehmung kann somit nicht länger als (passive) Abbildung von subjektiver Wirklichkeit verstanden werden, sondern als das Ergebnis eines außerordentlich aktiven, konstruktivistischen Prozesses, bei dem das Gehirn die Initiative hat: Es bildet ständig Hypothesen darüber, wie die Welt sein sollte, und vergleicht die Signale der Sinnesorganen mit diesen Hypothesen.

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