Einer meiner Lieblingssätze stammt vom Guardian-Online-Chefredakter Wolfgang Blau. Er sagte mal vor einiger Zeit,  dass es das Wesen von disruptiven Änderungen ist, dass das Alte geht, bevor das Neue sichtbar wird. Und er hat ja soooo recht, denn klar, alle haben DAS mittlerweile gemerkt: Entmaterialisierung und Informatisierung führt zu zunehmend fragmentierten aber grenzenlosen Märkten, auf denen sich neue, vernetzte Marktmodelle durchsetzen. Marktmodelle, mit neuen Wertschöpfungsprozessen, Kostenstrukturen und Erfolgspotentialen, aber auch mit neuen, anderen, diesen Rahmenbedingungen und zum Teil auch einander entgegenwirkenden Spielregeln und Zwängen. Dies, da im Zuge der Annäherung und Vernetzung aller an einem Markt beteiligten Parteien nicht nur die Koordinierbarkeit und die Abhängigkeit ihres Zusammenspiels einer grundsätzlichen Veränderung unterworfen sind, sondern auch die Inhalte, Ressourcen und Verantwortlichkeiten der ihnen im vernetzten Wirtschaftsprozess jeweils (neu) zugewiesenen Aufgaben; und im Zuge dessen auch ihre jeweiligen Rollen- und (vor allen Dingen) Zielsysteme: Nicht nur sind die generellen Möglichkeiten, telekommunikative Beziehungen zur anderen Marktseite aufzubauen, an entsprechenden Netzwerken aktiv teilzunehmen und spezifischen Vernetzungen zu verfestigen oder ebendiese Verbindungen jederzeit (wieder) abzubrechen zu hervorragenden Gelegenheiten der Realisierung von Erfolgspotentialen oder positiven Netzwerkeffekten, sondern auch zu zwingenden Notwendigkeiten des jeweiligen Handelns auf vernetzten Märkten erwachsen.

Was aber nicht alle merken ist, dass dieses Neue, das gerade das Alte immer etwas mehr merklich verändert, vielleicht sogar verdrängt, selbst schon wieder verdrängt und verändert wird. Und jetzt kennt sich gar keiner mehr aus. Was ich meine ist das: seit  geraumer Zeit ist es insbesondere der Umstand, dass die Möglichkeit zur Verflechtung und Verknüpfung des global agierenden und seine Leistungen individualisierenden Erstanbieters und des hybriden und multioptionalen Letztnachfragers die seit jeher zwischen ihnen existierenden gegenseitigen Abhängigkeiten erheblich.steigert, der allgemein im Fokus wissenschaftlicher, fiktionaler und boulevardesker Diskussionen steht: Prosuming, Social Media, Share Economy, etc. sind immer noch die Schlagworte der Stunde. Das aber mehr und mehr zu Unrecht, wie ich finde, denn mindestens von gleicher Bedeutung ist auch und zunehmend gerade die (aktiv oder passiv hervorgerufene) Unabhängigkeit von diesen Zwängen, die mindestens ebenso (mit-) entscheidend für wirtschaftliche, soziale und/ oder persönliche Wohlfahrt sein kann: Entschleunigung, Abgrenzung, Verweigerung sind hier die passenden Leitmotive, die sich in Phänomenen wie Paywalls rund um mediale Angebote, geschlossenen Communities, oder den wachsende Einsatz von Mailorderdiensten, etc. äußern.

Ein Beispiel: aktuell sind Tonaufnahmen von m.E. bemerkenswerten musikalischen Newcomern ganz und gar nicht (mehr?) always on und überall erhältlich. Satt dessen gibt es sie über all und nirgends: zum Anfüttern auf Soundcloud und anderen SoMe-Plattformen (Outtakes, Remixe, Sniplets), zum Abschöpfen (Sonder-Single) auf Downloadportalen, in allen erdenklichen Variationen und Versionen per Post und gar nicht in den angesagten Streaming-Ramschbuden. Und das ist ein gutes Beispiel also für den immer ausgefeilter werdenden Umgang mit dem Spannungsfeld zwischen Always-On-Vernetzung und exklusiver Abgrenzung, das die Welt gerade erst auszuloten beginnt…